Erbausschlagung im deutsch-spanischen Verhältnis

Beitrag zum Thema Erbrecht

Wer eine Erbschaft antritt, rechnet üblicherweise mit einem Vermögenszuwachs. Es kann aber auch anders kommen, wenn die Erbschaft überschuldet ist. Dann haftet der Erbe als Rechtsnachfolger des Erblassers für dessen Schulden. Um dieser nicht gewollten Rechtsfolge zu entgehen, kann man als gesetzlicher oder testamentarischer Erbe die Erbschaft ausschlagen.

Aber wie und in welcher Form und wem gegenüber kann die Erbschaft und damit die unangenehme Frage der eigenen Haftung ausgeschlagen werden?

Die neue EU-Erbverordnung
In grenzüberschreitenden Erbangelegenheiten in Bezug auf Sterbefälle ab dem 17. August 2015 kann aufgrund der EU-Erbverordnung je nach Konstellation spanisches oder deutsches Erbrecht gelten. Stirbt beispielsweise ein deutscher Staatsangehöriger mit seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien ohne Hinterlassung eines Testaments, gilt spanisches Erbrecht. Liegt in Fällen dieser Art jedoch eine letztwillige Verfügung des Erblassers vor, in der für das deutsche Erbrecht optiert wird, gilt deutsches Erbrecht. Deutsches Erbstatut gilt natürlich auch, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.


Erbausschlagung nach deutschem und spanischem Recht unterschiedlich
Die Einzelheiten der Erbausschlagung sind unterschiedlich. Nach deutschem Recht ist die Erbausschlagung grundsätzlich binnen einer Frist von sechs Wochen ab Kenntnis des Erbfalls und der Berufung zum Erben möglich. Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland oder hielt sich der Erbe bei Beginn der Frist im Ausland auf, beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Monate. Eine Fristverlängerung ist nicht möglich.
Erfolgt keine Ausschlagung, gilt die Erbschaft nach deutschem Recht als angenommen. Die Form der Ausschlagung ist öffentlich, d. h. sie hat notariell oder als Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen. Die Ausschlagungserklärung sollte zudem vorsorglich in deutscher Sprache gegenüber dem deutschen Nachlassgericht abgegeben werden.

Spanisches Erbstatut
Ist aufgrund des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Spanien spanisches Recht anwendbar, gilt zwar auch das Erfordernis der öffentlichen Form der Ausschlagungserklärung; eine Ausschlagungsfrist kennt indes das spanische Recht nicht. Die Abgabe der Ausschlagungserklärung erfolgt nach dem neugefassten Art. 1008 des spanischen Zivilgesetzbuches durch Erklärung vor dem Notar. Bei möglicher Überschuldung des Nachlasses ist es in Spanien üblich und zulässig, gemäß Art. 1023 CC, die Haftung durch Erklärung des Erben auf den Nachlass zu beschränken.

Nach Art. 28 der EU-ErbVO darf der Erbe die Erbschaft formwirksam entweder nach den Regeln des anwendbaren Erbrechts (Erbstatut) ausschlagen oder nach dem Recht des eigenen Aufenthaltsortes. Unterliegt beispielsweise die Erbschaft im Hinblick auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in Spanien dem spanischen Erbstatut, kann die Ausschlagungserklärung eines beispielsweise in Deutschland lebenden Erben in der deutschen Ortsform gegenüber einem deutschen Nachlassgericht erfolgen. Allerdings besteht keine Weiterleitungspflicht dieser Erklärung durch das vom Erben angerufene Gericht. Die EU-ErbVO geht davon aus, dass es dem Erklärenden selbst obliegt, eine in „seinem Staat“ abgegebene Erklärung an die Gerichte des Staates, bei denen das Nachlassverfahren zu führen ist, weiterzuleiten. Dies ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung. Noch problematischer ist, dass bspw. bei Anwendbarkeit deutschen Erbrechts die kurzen deutschen Ausschlagungsfristen auch dann gelten, wenn der Erbe von dem Privileg Gebrauch macht, am Ort und nach den Formvorschriften des Staates seines eigenen gewöhnlichen Aufenthalts ausschlägt. Man sieht, es gibt in der neuen Regelung einige Fallstricke, die man kennen sollte. Dies bezieht sich auch auf die Sprache der Ausschlagungserklärung gegenüber dem deutschen Nachlassgericht, die in deutscher Sprache erfolgen muss.

Folgende Beispiele sollen die Situation erläutern:

Beispiel 1:
Ein Deutscher stirbt am 1. März 2016 in Spanien wo er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ein Testament liegt nicht vor. Der Erblasser hinterlässt erhebliche Bankschulden in Deutschland und in Spanen. Es wird aber weiteres Vermögen des Erblassers vermutet. Die Witwe fragt an, was zu tun ist.

Im Hinblick auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des deutschen Erblassers gilt spanisches Erbstatut. Nach spanischem Recht richtet sich auch die Ausschlagung. Der Witwe ist gemäß Art. 1023 des spanischen Código Civil zu empfehlen, die Haftung in notarieller Form durch entsprechende Erklärung auf den Nachlass zu beschränken, so wie es Art. 1023 CC vorsieht.

Artikel 1023
Die Beschränkung der Erbenhaftung ruft zugunsten des Erben die folgenden Wirkungen hervor:
1.  Der Erbe braucht die Schulden und übrigen Lasten der Erbschaft nur insoweit zu zahlen, als die Nachlassgüter reichen.
2.  Er behält gegenüber dem Nachlassvermögen alle Rechte und Ansprüche, die er gegenüber dem Verstorbenen besaß.
3.  Für keinerlei Zweck werden zum Schaden des Erben seine privaten Güter mit denen, die zum Nachlass gehören, vermischt.

 

Beispiel 2:
Ein deutscher Erblasser verstirbt am 1. März 2016 während seines zweiwöchigen Urlaubs in seinem Apartment in Spanien. Auf dem Apartment ruht eine hohe Hypothek. Er hinterlässt Bankschulden in Deutschland und in Spanien. Die Witwe fragt an, was zu tun ist.

Da der Erblasser lediglich zu Urlaubszwecken in Spanien war, lag sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland. Demgemäß gilt das deutsche Erbstatut. Die Ausschlagungs-erklärung richtet sich nach deutschem Recht. Die Erbausschlagung ist in notarieller Form gegenüber dem deutschen Nachlassgericht abzugeben. Hierbei gilt die 6-Wochenfrist ab Kenntnis des Erbfalls und der Berufung zum Erben. Wird die Frist versäumt, gilt die Erbschaft als angenommen, mit der Folge, dass der oder die Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers für dessen Schulden haften.

Es besteht auch die Möglichkeit, Nachlassinsolvenz zu beantragen. Hat die Witwe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien, könnte sie auch vor einem spanischen Notar ausschlagen, müsste dann aber dafür Sorge tragen, dass diese Erklärung dem deutschen Nachlassgericht zu Kenntnis gelangt und dass die maßgebliche deutsche – bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1944 Abs. 2 BGB auf sechs Monate verlängerte - Ausschlagungsfrist eingehalten wird.

Die EU-Erbverordnung hat kein einheitliches europäisches Erbrecht geschaffen
Die EU-ErbVO hat kein einheitliches europäisches Erbrecht geschaffen. Sie weist jedoch aufgrund der in ihr enthaltenen Rechtsnormen Erbfälle entweder dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zu oder bei Ausübung der Option des Erblassers in testamentarischer Form aber dem Heimatrecht des Erblassers. Ein Erbe, der diese Zusammenhänge und Voraussetzungen nicht kennt, also bei möglicher Überschuldung des Nachlasses nicht weiß, ob deutsches oder spanisches Erbstatut gilt und damit deutsche oder spanische Gericht alternativ für den Erbfall zuständig sind, befindet sich in einer schwierigen Lage. Wegen der im deutschen Erbrecht enthaltenen Ausschlagungsfrist von sechs Wochen bzw. sechs Monaten spielt der Zeitfaktor in diesen Fällen eine ganz entscheidende Rolle. Hier kann Expertenrat wichtig sein und den Erben letztlich davor bewahren, statt Vermögen Schulden zu erben.


13.03.2016


Dr. Burckhardt Löber            Dr. Alexander Steinmetz
Rechtsanwalt und Abogado    Rechtsanwalt ∙ Abogado Inscrito

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